Materiale Textkulturen
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Zielsetzung & Leitideen

Mehr als 160 Forscherinnen und Forscher aus zahlreichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen der Universität Heidelberg und der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg haben am SFB „Materiale Textkulturen“ Geschriebenes untersucht, das auf vormodernen Artefakten – also von Menschen geschaffenen Objekten – zu finden ist; etwa Texte auf Säulen, Portalen, Grabsteinen, Tontafeln, Tonscherben, Amuletten, Rollen, auf Papyrus, Pergament, Papier etc.

Das Interesse richtete sich dabei auf die spezifische materiale Beschaffenheit und die dadurch evozierte Präsenz der beschrifteten Artefakte und des Geschriebenen selbst. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher stellten eine Vielzahl von Fragen an diese Artefakte: Wie und unter welchen Bedingungen wurden sie hergestellt? In welchem räumlichen Arrangement befanden sie sich? Wer hatte Zugang zu ihnen? Was wurde mit ihnen gemacht bzw. welchen Handlungen wurden an ihnen vollzogen? Welche Handlungen lösten sie aus? Der Leitgedanke dabei war stets, dass Schrift, Schriftträger und darauf bezogene Praktiken eine unlösbare wechselseitige Verbindung eingehen, deren Berücksichtigung für das Verständnis der überlieferten Texte und ihrer kulturellen Umgebung hohe Erklärungskraft besitzt.

Der SFB wählte seine Untersuchungsobjekte in erster Linie aus solchen Kulturen, in denen keine Verfahren der massenhaften Produktion von Geschriebenem verfügbar oder verbreitet waren oder sind. Dazu gehörten z. B. antike Statuenbasen, mit Keilschrift beschriebene Tontafeln aus Mesopotamien oder Schriftzeichen an mittelalterlichen Bauwerken. Diese Entscheidung beruhte auf der Annahme, dass sich der Zusammenhang von Text, Materialität, Räumlichkeit und darauf bezogenen Praktiken durch den Buchdruck fundamental verändert – so scheint unter anderem die Materialität des Geschriebenen für die Akteure weniger Bedeutung zu haben. Mit der Entwicklung eines geeigneten methodischen Instrumentariums leistete der SFB jedoch auch einen Beitrag zum Bewusstsein, wie die Materialität von Texten nicht nur in lang vergangenen Gesellschaften, sondern bis heute eine tragende Rolle für ihr Verständnis spielt.

Folgendes übergeordnetes Ziel verfolgte der SFB 933 seit seiner Einrichtung: die interdisziplinäre, systematische Entwicklung und Erprobung eines Methodentableaus und seiner Begründung für die Analyse schrifttragender Artefakte als einer Theorie materialer Textkultur. Darüber hinaus deren Etablierung in den historisch-archäologischen Wissenschaften und den Philologien. In dem abschließend bei De Gruyter erschienenen Handbuch "Zur Theorie und Systematik materialer Textkultur" (hier im open access) präsentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des SFB eine Synthese ihrer Forschungen. In 35 Thesen fassen sie die Erkenntnisse aus zwölf Jahren interdisziplinärer Arbeit zu einer solchen Theorie materialer Textkultur zusammen.

Weiterhin war die Sammlung und Bereitstellung qualifizierter Daten ein zentrales Anliegen des SFB 933 (Teilprojekt „Informationsinfrastrukturen“). Integral war dabei auch die systematische Reflexion zukünftiger Verwendungsweisen (vgl. auch den Datenmanagementplan des SFB 933).

Der SFB hatte sich zudem die systematische Verbreitung seiner Forschung an verschiedene Zielgruppen der Öffentlichkeit vorgenommen, deren Methoden im Teilprojekt „Öffentlichkeitsarbeit“ geplant und verwirklicht wurden.

Der Forschungsverbund wurde von 2011 bis 2023 über einen Zeitraum von zwölf Jahren gefördert.