A03 |
Materialität und Präsenz magischer Zeichen zwischen Antike und Mittelalter |
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UP1
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Ächtungsfiguren und ihre Deponierung |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 1. & 2. Förderperiode
Teilprojektleiter | Prof. Dr. Joachim Friedrich Quack |
akademische Mitarbeiterin | Carina Kühne-Wespi |
akademische Mitarbeiterin | Anett Rózsa |
Projektbeschreibung
Einer der prominentesten Themenkreise der altägyptischen Diskurswelt ist derjenige um die Bezwingung der Feinde Ägyptens. Seine Bedeutung offenbart sich nicht nur in monumentaler Größe auf den Wänden ägyptischer Tempel oder in regelmäßig durchgeführten und textlich festgehaltenen Schutzritualen für die Götter und den König, vielmehr manifestiert er sich auch in ganz alltäglichen, „diesseitigen“ Texten und Kontexten. So kommt er beispielsweise in Lobreden zum Ausdruck, erscheint mittels Darstellungen von gefesselten Feinden auf Wandkacheln und fließt in die Gestaltung von Möbelstücken, Türangelsteinen, Thronpodesten und Spielsteinen ein. Ein essentieller Bestandteil dieses Diskurses um die Niederwerfung von Feinden sind die sogenannten Ächtungsrituale. Sie dienen vordergründig dazu, einem oder mehreren Feinden, die für den Ritualisten oder für die durch ihn repräsentierte Entität (beispielsweise eine Gottheit, deren Schöpfung, Pharao oder der ägyptische Staat) ein großes Schadenspotential innehaben, selbst Schaden zuzufügen und ihr Vorhaben zum Scheitern zu bringen. Zu diesem Zweck werden Figuren von gefesselten Feinden hergestellt und bisweilen mit dem Namen der Zielperson versehen, anschließend im Ritual beschädigt (z. B. zerstochen, deformiert, gefesselt etc.) und zuletzt verbrannt oder in einigen Fällen begraben. Entsprechende Ritualtexte begleiten die Handlungen und verleihen ihnen ihre Wirkung.
Solche Ächtungsrituale wurden in Ägypten durch die Epochen hindurch von frühdynastischer Zeit bis in die griechisch-römische Zeit und abgewandelt auch in koptischer Zeit durchgeführt. In diesem mehr als 3000 Jahre umfassenden Zeitraum haben sie mannigfaltige Zeugnisse materieller wie textlicher Art hinterlassen, die in diesem Unterprojekt erforscht werden. Auf der Basis einer Materialsammlung soll der Wandel des Rituals bzw. der Rituale nachvollzogen werden, ein weiterer Schwerpunkt wird auf den einzelnen Komponenten der Rituale sowie auf der Frage liegen, wie die innerhalb des im Ritual konstituierten Netzwerkes zueinander stehen. Zentral sind hier nicht nur die Funktion der Ächtungsfigur, des Ächtungstextes bzw. des Ritualtextes und des Ritualisten innerhalb des definierten rituellen Raumes, sondern auch der Auftraggeber, die schadennehmende Zielperson, der Nutznießer, die angerufenen göttlichen Mächte und der Ort der Durchführung. Der Umgang mit und die Art der Deponierung der Ächtungsfiguren dürfte dabei eine zentrale Rolle für die Identifikation von verschiedenen Ritualtypen spielen.
Darüber hinaus lässt sich fragen, ob das Ritual auch Einfluss auf Einheiten außerhalb seines Wirkungsbereiches im engeren Sinne nimmt, ob also das Ächtungsritual eventuell Teil eines größeren „Netzwerkes“ ist. Konkret ist an die Rückwirkung des Ächtungsrituals auf die Ausgangskultur zu denken und zu fragen, inwieweit es etwa zur Konstitution und Kohärenz sozialer Gruppen innerhalb Ägyptens beiträgt.
Mit solchen und weiteren Fragestellungen wird das Unterprojekt die für Ägypten bedeutungsvollen Ächtungsrituale umfassend untersuchen, von verschiedenen Seiten beleuchten und so zu einem besseren Verständnis dieser kulturspezifischen Thematik beitragen.