Materiale Textkulturen
Teilprojekte
DE
     
C03

Zeitformen. Raumformen. Strategien der Verhandlung von Materialität und Präsenz der Schrift in der augusteischen Literatur

 

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 1. & 2. Förderperiode

akademischer Mitarbeiter Christian D. Haß
akademische Mitarbeiterin Eva Maria Noller
akademischer Mitarbeiter Maximilian Haas
Teilprojektleiter Prof. Dr. Jürgen Paul Schwindt

 

 

 

Projektbeschreibung

ZIELSETZUNG

  • Untersuchung der leitenden Parameter des SFBs 933, Materialität und Präsenz, als für die augusteische Literatur konstitutiver Kategorien
  • Erfassung, Beschreibung und Deutung jener augusteischen Texte, die auf diese ihre kategoriale Verfassung reflektieren
  • Beitrag zu einer Semiotik der augusteischen Kultur

ZUSAMMENFASSUNG

  • Die moderne Rede über Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften muß die Texte selbst als Medien der Reflexion ihres kategorialen Status ernst nehmen.
  • Die augusteische Literatur hat eine Vielzahl von Modellen entwickelt, wie Materialität und Präsenz (des Geschriebenen) zu denken und sprachbildlich darzustellen seien. So finden sich in den hochreflexiven Gattungen des Epos, der Lyrik, Elegie und Bukolik zahlreiche Referenzen auf die Materialität und Stofflichkeit der Schrift und des Denkens. Umgekehrt werden die Phänomene der Dingwelt in auffallender Weise bald fetischisiert, bald spiritualisiert.
  • Einen ersten Überblick über die Vielfalt der Bezüge gewährt unser kommentierter Thesaurus locorum, der solche Passagen aus einschlägigen Texten augusteischer Zeit beinhaltet, die explizit auf die eigenen Produktions- bzw. Rezeptionsbedingungen sowie auf die eigene textuelle Verfaßtheit reflektieren. Diese Stellensammlung wurde über die SFB-interne Datenbank zugänglich gemacht und bietet die Grundlage für weitere intra- und interdisziplinäre Forschungen.
  • Die Dissertation von Christian Haß: „Text – Dichter – Welt. Praktiken der Konstitution von Zeichen und Sinn in Vergils Georgica“ liefert eine umfassende praxeologische Analyse des verhandelten Textes, die gegenüber älteren semiotischen Analysen dadurch profiliert ist, daß sie die „Semiotik“ der Georgica nicht als unproblematisches, immanent beschreibbares, stabiles Faktum in den Blick nimmt, sondern im Anschluß an den theoretischen Rahmen des SFB diese in ihrer Instabilität bzw. in ihrer kultur-praxeologischen Dynamik analysiert. Die Zeichenwelt der Georgica formiert sich mithin im materialen Vollzug einer Kulturpraxis, genauer: in der praxeologischen Engführung beschriebener (agri)kultureller und performativ vollzogener textueller Praktiken.
  • Den Ausgangspunkt der Dissertation von Eva Noller: „Materialität und Dichtung. Strategien der Ordnung von Text und Welt in Lukrez, De Rerum Natura“ bilden jene Passagen des Lukrezischen Textes, in denen Buchstaben und Atome, d.h. Text und Welt, in ein Analogieverhältnis gesetzt werden. Hieran knüpfen sich Überlegungen zum Konzept des Metatexts bzw. der Metatextualität, die in Lukrez‘ Werk immer mit dem Begriff der Ordnung verbunden sind. Die Ordnung der begrenzten Anzahl von Buchstaben im Text ist die Bedingung der Möglichkeit, den Text überhaupt erst hervorzubringen, und zeigt zugleich, daß die Bedeutung des Textes nicht stabil ist, sondern eben von der jeweiligen Ordnung des „Buchstabenmaterials“ abhängt.
  • Materialität und Präsenz sind mithin nicht nur Produktions- und Performanzkategorien, sondern stehen im Zentrum der Reflexion der augusteischen Dichtung über sich selbst.

FORSCHUNGSSTRATEGIE

  • Die philologische Struktur- und Detailanalyse zentraler Texte der augusteischen Literatur wird als Bedingung der Möglichkeit angesehen, über die „Materialität“ und „Präsenz“ der Texte sinnvolle Aussagen zu treffen.
  • In welcher Weise reflektieren die untersuchten Texte auf die ,Litteralität‘ und zeitliche Dauer ihrer Verfassung?
  • Welche sind die Verfahren der Sinnzuschreibung, die sie von ihren Rezipienten erwarten? Und welches sind – in den fiktiven, oralen Kommunikationswelten der epischen Dichtung – die konkurrierenden Symbolsysteme?
  • Vergils Aeneis wird als ein subtiler Zeichenzusammenhang betrachtet, der sich ohne die fortlaufende Reflexion auf die materiale Substruktur des Ganzen nicht denken und deuten läßt. Das beginnt schon mit der unübersehbaren Selbstalphabetisierung des Werkeingangs: Arma Virumque Cano, in dem dem beginnenden „Gesang“ die historiographische Ambition: das Ab Vrbe Condita überdeutlich eingezeichnet ist.

Kooperationen, national und international

  • Internationale Forschergruppe La poésie augustéenne (http://reseau-poesie-augusteenne.univ-lille3.fr/index.html)
  • Internationales Zentrum für die Theorie der Philologie (mit Dependancen in Campinas/São Paulo und Heidelberg)
  • Deutsch-brasilianische Arbeitsgruppe Teoria da filologia – Theorie der Philologie
  • Heidelberger Masterstudiengang Klassische und Moderne Literaturwissenschaft

Veranstaltungen des Teilprojekts

  • 04. Februar 2012: Podiumsdiskussion mit Prof. Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford) „Das ,Ende der Literaturtheorieʻ: Ein Disput“
  • 27. Mai 2013: Gastprofessur Prof. Christian Benne (Syddansk Universitet) mit einem Vortrag zu „Aporetik der Materialität und Theorie der Gegenständlichkeit“
  • 26.–28. Juli 2013: Ausrichtung einer interdisziplinären Nachwuchstagung durch Christian Haß und Eva Marie Noller („Was bedeutet Ordnung? Was ordnet Bedeutung? Überlegungen zu bedeutungskonstituierenden Ordnungsleistungen in Geschriebenem“)
  • 25. April–09. Mai 2014: Gastprofessur Prof. Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford) mit einem philosophischen Lektürekreis („Heideggers Ontologie des Seins als Philosophie der Materialität?“), einer öffentlichen Vorlesungsreihe („Materialität als Dimension in den Geisteswissenschaften: eine Exploration“) sowie einem komparatistischen Hauptseminar („Die Macht der Sprache. Der Magische Realismus und die Römische Liebeselegie“ mit Prof. Jürgen Paul Schwindt)

Vorträge der Mitarbeiter

  • 21. Juli 2012: Vorträge von Christian Haß und Eva Marie Noller auf dem workshop „Metatextanalyse“ (ausgerichtet von TP C02 und C05): „Vergil über Lukrez: Formen der Metatextualität“
  • 30. August – 02. September 2012: Vorträge von Christian Haß und Prof. Jürgen Paul Schwindt auf dem Jahrestreffen der Internationalen Forschergruppe La poésie augustéenne am Trinity College in Cambridge: „Der Dichter und der Kosmos. Über die Grenzen rationaler Welterfassung in der Kosmologie Vergl. Georg. 1.231-258“; „Die Magie des Zählens. Zur cantatorischen Statur der Dichtung (Catull 5 und 7; Horaz Oden 1.11)“
  • 18.–19. Januar 2013: Vortrag von Eva Marie Noller auf dem Mittelrheinischen Symposion in Saarbrücken: „Ordnung und Agrikultur in Lukrez, De rerum natura V, 1361-78“
  • 13.–14. Juni 2013: Vortrag von Prof. Jürgen Paul Schwindt auf dem interdisziplinären Symposium „Wissen in Materialen Textkulturen“ (ausgerichtet vom Deutschen Literaturarchiv Marbach und dem SFB 933): „Die Dinge der Dichtung. Zur Anatomie der Schriftlichkeit in Catulls libellus
  • 26.–28. Juli 2013: Vorträge von Christian Haß und Eva Marie Noller auf der von ihnen organisierten interdisziplinären Nachwuchstagung Was bedeutet Ordnung? Was ordnet Bedeutung? Zu bedeutungskonstituierenden Ordnungsleistungen in Geschriebenem: „Ordnung im Anfang (Vergil, Georgica 1). Macht Vergil Sinn?“; „Re et sonitu distare. Überlegungen zu Ordnung und Bedeutung in Lukrez, De rerum natura I, 814-829“
  • 23.–26. September 2013: Vorträge von Christian Haß, Eva Marie Noller und Prof. Jürgen Paul Schwindt auf dem deutsch-brasilianischen workshop „Theorie der Philologie II“, Universität Campinas (S.P., BRAS.): „Lemma : Subversion“; „Ordnung“; „Über das philologische Erkennen“
  • 04.–06. April 2014: Workshop von Christian Haß und Christopher Nunn auf dem Heidelberger Arbeitskreis Patristik: „Felix qui potuit rerum cognoscere causas. Augustins Umgang mit Vergilzitaten in Fragen der Ethik“
  • 12.–14. Juni 2014: Vorträge von Eva Marie Noller und Prof. Jürgen Paul Schwindt auf dem Jahrestreffen der Internationalen Forschergruppe La poésie augustéenne am Trinity College in Dublin: „The Space Before: Lucretius’ Poetics of Difference in De Rerum Natura I“; „Loci desperati: Possibilities and Boundaries of Augustan Conceptions of Space

Publikationen

  • Beiträge in: T. Meier/M. R. Ott/ R. Sauer (Hgg.), Materiale Textkulturen. Konzepte – Materialien – Praktiken, De Gruyter 2014 (Materiale Textkulturen 1):
    • I. Berti/ C. D. Haß/ K. Krüger/ M. R. Ott: „Lesen“
    • J. C. Gertz/ F. Krabbes/ E. M. Noller: „Metatext/Metatextualität“
    • C. D. Haß/ D. C. Luft/ P. A. Miglus: „Bedeutung“
    • C. D. Haß/ D. C. Luft: „Transzendieren“
    • A. Karagianni/ J. P. Schwindt/ C. Tsouparopoulou: „Materialität“
    • E. M. Noller/ S. Neumann: „Perzeption“
    • J. P. Schwindt: „(Radikal)Philologie“
       
  • Christian D. Haß/Eva Marie Noller (Hgg.), Was bedeutet Ordnung? Was ordnet Bedeutung? Zu bedeutungskonstituierenden Ordnungsleistungen in Geschriebenem, Berlin [2015] (Materiale Textkulturen 10)
  • Christian D. Haß, „La luna vino a la fragua... Eine radikalphilologische Analyse des Romance de la luna, luna von Federico García Lorca“, HeLix. Dossiers zur romanischen Literaturwissenschaft, 7 [2015]
  • Ders., „Ordnung im Anfang (Verg. Georg. I, 1-42). Macht Vergil Sinn?“, in C. D. Haß/E. M. Noller (Hgg.), Was bedeutet Ordnung? Was ordnet Bedeutung?, De Gruyter [2015]
  • Ders., „Beyond ʻCosmos’ and ʻLogos’: An Irrational Cosmology in Virgil, Georgics 1.231-58?“, in: P. R. Hardie (Hg.), Augustan Poetry and the Irrational, Oxford University Press [2015]
  • Ders., „Lemma : Subversion. Philologisches in Vergil, Georgica 2“, in: I. T. Cardoso/J. P. Schwindt (Hgg.), Palavras para uma teoria da filologia – Wörter für eine Theorie der Philologie, Winter [2015]
  • Eva Marie Noller, „Re et sonitu distare. Überlegungen zu Ordnung und Bedeutung in Lukrez, De Rerum Natura I, 814-829“, in: C. D. Haß/E. M. Noller (Hgg.), Was bedeutet Ordnung? Was ordnet Bedeutung? Zu bedeutungskonstituierenden Ordnungsleistungen in Geschriebenem, Berlin [2015] (Materiale Textkulturen 10)
  • Dies., „Ordnung“, in: I. T. Cardoso/J. P. Schwindt (Hgg.), Palavras para uma teoria da filologia – Wörter für eine Theorie der Philologie, Winter [2015]
  • Jürgen Paul Schwindt, „Monumente machen. Foucault und die epigrammatische Methode“, in: P. Gehring/ A. Gelhard (Hgg.), Parrhesia. Foucault und der Mut zur Wahrheit, Zürich 2012, S. 85-102
  • Ders., „Rom und der Osten oder Von der Schwierigkeit, sich zu orientieren (von Catulls Odyssee zu Horaz' Aeneis)“, Dictynna 9, 2012 (keine Seitenzählung)
  • Ders., „Der Sound der Macht. Zur onomatopoetischen Konstruktion des Mythos im Zeitalter des Augustus“, in: M. Labate/ G. Rosati (Hgg.), La costruzione del mito augusteo, Heidelberg 2013, S. 69-88
  • Ders., „Die Magie des Zählens. Zur cantatorischen Statur der Dichtung (Catull, cc. 5 und 7; Horaz, c. 1, 11)“, in: B. Dunsch/ F. M. Prokoph (Hgg.), Am langen Seil des Altertums. Beiträge aus Anlass des 90. Geburtstags von Walter Wimmel, Heidelberg 2013, S. 15-35 (= „The Magic of Counting“, in: P. R. Hardie [Hg.], Augustan Poetry and the Irrational, Oxford [2015])
  • Ders., „The Philology of History. How and what Augustan Literature Remembers: Horace, Vergil and Propertius, 1.19, 1.22 and 2.13B“, in: J. Farrell, D. P. Nelis (Hgg.), Augustan Poetry and the Roman Republic, Oxford 2013, S. 40-56
  • Ders., „Ordo and insanity. On the pathogenesis of Horace’s Ars poetica“, Materiali e Discussioni 72, 2014, S. 197-216

 

Teilprojekte der 3. Förderperiode

A01 A02 A03 A05 A06 A08 A09 A10 A11 A12 B01 B04 B09 B10 B13 B14 B15 C05 C07 C08 C09 C10 INF Ö2 Z

 

 

abgeschlossene Teilprojekte

A01 A03 A04 B02 B03 B06 B07 B11 B12 C01 C02 C03 C04 C06 IGK Ö1

 

 

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